KSC 1992/93

"Ich glaube, dass wir einen Platz unter den ersten Fünf schaffen werden." – Dieser Satz stammt von Sergej Kirjakow, neben Manfred Bender, der den ungewöhnlichen Weg vom FC Bayern München zum KSC ging, einer von zwei richtungsweisenden Neuzugängen beim KSC im Sommer 1992. Gesagt hat Kirjakow diesen Satz im August 1992 zu Beginn der Saison im Aktuellen Sportstudio des ZDF – und wurde von Moderator Bernd Heller nur müde belächelt: "KSC unter den ersten Fünf?" antwortete Heller ungläubig, "Da werden jetzt einige zusammengezuckt sein, denn die Planung bei anderen sieht ähnlich aus wie Ihre Hoffnung". Am Ende sollten irgendwie beide Recht behalten: Der KSC landete zum Saisonende "nur" auf dem sechsten Platz – eigentlich kein UEFA-Cup-Platz -, doch reichte das dank des Pokalsiegs des Tabellenfünften Leverkusen trotzdem für den UEFA-Cup.
Sommer 1992: Der KSC wollte mehr, das war bei allen zu spüren, bei Fans, beim Trainer, bei der Mannschaft, man wollte nicht mehr die graue Maus sein, die man jahrelang (oder jahrzehntelang) verkörperte, und das sagte man auch offen. Und spätestens als der KSC am 12. Spieltag mit der Frankfurter Eintracht einen der Titel-Mitfavoriten 4:1 nach Hause schickte und als Tabellendritter mit 16:8 Punkten nur zwei Punkte Rückstand zur Tabellenspitze aufwies, musste Fußball-Deutschland einsehen, dass der KSC tatsächlich der Spitze der Fußball-Bundesliga näher gekommen ist. Dies bekam neben dem Frankfurt (siehe oben) und dem späteren Meister Werder Bremen (2:5-Debakel im Wildpark trotz eigener 2:0-Führung) auch Rekordmeister Bayern München zu spüren, der am 15. Spieltag im heimischen Münchner Olympiastadion zu Beginn zwar einen wahren Sturmlauf entfachte und nach 22 Minuten schon 2:0 in Führung lag, doch Valeri Schmarow und ein Eigentor des Ex-Karlsruhers Oliver Kreuzer brachten den KSC zurück ins Spiel, und auch auf die erneute Führung der Bayern durch Lothar Matthäus hatte der KSC in Person von Rainer Schütterle die passende Antwort, so dass sich der Spitzenreiter gegen den KSC zu Hause mit einem 3:3 begnügen musste. Mit respektablen 21:13 Punkten ging es für den KSC auf Tabellenplatz fünf (!) in die Winterpause.
In der Rückrunde taten sich die Badener jedoch schwer, die Erfolge der Vorrunde zu bestätigen. Als am 32. Spieltag der FC Bayern München (vom ersten Spieltag an Tabellenführer) nach Karlsruhe kam, standen für den KSC in den bisherigen 14 Rückrundenspielen gerade einmal zwei Siege zu Buche – bei acht Unentschieden und vier Niederlagen. Da beim KSC für dieses live bei SAT.1 übertragene Sonntagabend-Spiel auch noch fast die komplette Offensivreihe ausfiel - Sergej Kirjakow, Rainer Krieg und Manfred Bender, die zusammen 31 der bis dahin 51 KSC-Tore erzielt hatten, standen nicht zur Verfügung – rechnete keiner ernsthaft damit, dass der KSC gegen die Bayern irgendetwas holt. Doch die Bayern unter Trainer Erich Ribbeck erlebten in Karlsruhe ihr blaues Wunder: Als Rainer Schütterle nach 50 Minuten mit einem Außenrist-Kunstschuss (Bremen-Trainer Otto Rehhagel: "Weltklasse!") ins Tor von Bayern-Keeper Raimond Aumann einnetzte, stand es 4:0 (!) für den KSC. Den Bayern blieb nur noch Ergebniskosmetik, am Ende siegte der KSC 4:2. Der KSC-Knoten war geplatzt, auch die beiden ausstehenden Partien in Wattenscheid (2:0) und zu Hause gegen Borussia Dortmund (3:0) brachte der KSC souverän über die Bühne. Am Ende lag der KSC, der in der kompletten Saison im Wildpark ungeschlagen blieb (nur Meister Werder Bremen holte zu Hause mehr Punkte), mit 39:29 Punkten auf Tabellenplatz sechs (ein Platz vor dem VfB Stuttgart!), musste um die Teilnahme am UEFA-Cup aber noch einmal zittern: Denn nur wenn der Tabellenfünfte Leverkusen eine Woche später in Berlin den DFB-Pokal holt, wäre der KSC für den Europapokal qualifiziert. Zum Glück hieß der Gegner der Leverkusener "nur" Hertha BSC Berlin Amateure, ein Zitterspiel war aber es trotzdem. Am Ende gewann die Werkself durch ein Tor von Ulf Kirsten 14 Minuten vor Schluss knapp mit 1:0 und ließ damit auch in Karlsruhe die Sektkorken knallen – der KSC hatte im 99. Vereinsjahr das vor der Saison ausgegebene und teils belächelte Ziel - die erstmalige Qualifikation für den Europapokal – wirklich geschafft.